Industrie 4.0 – Auf die Zukunft vorbereitet?
Industrie 4.0 ist das Schlagwort für die vierte industrielle Revolution. Nach der Einführung von selbstständig arbeitenden (Dampf-)Maschinen, der industriellen Massenfertigung und der Automatisierung mit Hilfe von programmierbaren Steuerungen kommt nun die Industrie 4.0, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und intelligente Produkte dem Menschen durch komplexe Vernetzung dienen sollen. Das klingt nach Science Fiction und einige Skeptiker schüren die Angst vor mangelnder Datensicherheit. Wenn wir die Zukunft aber weder aufhalten können noch aufhalten wollen, sollten wir dann nicht besser darauf vorbereitet sein? Der nachfolgende Beitrag zeigt an Beispielen Möglichkeiten auf, warnt aber auch vor überzogenen Erwartungen.
MENSCH IM MITTELPUNKT
Industrie 4.0 ist das Schlagwort für die vierte industrielle Revolution. Nach der Einführung von selbstständig arbeitenden (Dampf-)Maschinen, der industriellen Massenfertigung und der Automatisierung mit Hilfe von programmierbaren Steuerungen kommt nun die Industrie 4.0, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und intelligente Produkte dem Menschen durch komplexe Vernetzung dienen sollen. Das klingt nach Science Fiction und einige Skeptiker schüren die Angst vor mangelnder Datensicherheit. Wenn wir die Zukunft aber weder aufhalten können noch aufhalten wollen, sollten wir dann nicht besser darauf vorbereitet sein? Der nachfolgende Beitrag zeigt an Beispielen Möglichkeiten auf, warnt aber auch vor überzogenen Erwartungen.
BRAUCHT DIE GETRÄNKEBRANCHE Industrie 4.0?
Erschließt Industrie 4.0 für die Getränkehersteller ungenutzte Potenziale, können Produktionskosten z. B. durch eine höhere Fertigungsgüte und geringere Rüstzeiten reduziert werden? Diese Fragen müssen sich Bier- und Getränkehersteller in Zukunft stellen.
Was ist Industrie 4.0?
Industrie 4.0 wird in der Regel sehr theoretisch dargestellt. Um es anschaulich zu machen, wird häufig die intelligente Milchpackung bemüht, die Nachschub im Supermarkt bestellt, sobald man sie nicht zurück in den Kühlschrank stellt, sondern in die gelbe Tonne wirft. Der praktische Nutzen bleibt den meisten hierbei verborgen. Nach der Interbrau 1977 glaubte man, mit einer zentralen Steuerung eine Flaschenabfüllanlage optimal fahren zu können. Als sich Ernüchterung einstellte, vereinfachte man die Automatisierung und jede Maschine schaute hauptsächlich danach, was direkt vor und hinter ihr passierte. Für den Weitblick waren wieder Menschen zuständig. An diesem Prinzip orientiert sich nun auch die Industrie 4.0.
Wenn Maschinen in der Lage sind, bestimmte Parameter mitzuteilen und niemand hört zu, dann bleibt erst einmal alles, wie es immer war, aber wenn eine zweite und eine dritte Maschine hinzukommen, die nicht nur mitteilen, sondern auch „zuhören“ können, wird sich relativ schnell ein Nutzen einstellen. Dies kann natürlich nur funktionieren, wenn alle Maschinen dieselbe Sprache sprechen. So wie die erste, zweite oder dritte industrielle Revolution weder mit einem Paukenschlag noch allumfassend stattgefunden haben, so wird auch die vierte Revolution Schritt für Schritt dort eingeführt werden, wo sich die Kosten schnell amortisieren. Sicherlich werden stetig mehr Maschinen Daten zur Verfügung stellen und einzelne Maschinen werden einige dieser Daten nutzen.
Mustermitarbeiter
Bei der Qualitätsprüfung im Rahmen der Produktionskontrolle werden Proben üblicherweise nach einem festgelegten Prüfplan entnommen und geprüft. Dieser Prüfplan ist in der Regel zeitbasiert, d. h. bei Produktionsbeginn oder Produktwechsel werden alle x Minuten Proben entnommen und wenn die Ergebnisse innerhalb vorgegebener Toleranzen liegen, wird das Prüf-Intervall nach einem festgelegten Plan entsprechend verlängert. PI-Regler gleichen Schwankungen in der Produktion üblicherweise aus. Als hohe Kunst der Parametrierung wird die Störgrößenaufschaltung angesehen, mit der man dem PI-Regler z. B. „sagt“, dass man auf einen anderen Tank umgeschaltet hat und sich durch die veränderte Füllhöhe der Vordruck ändert. Dass dies nicht wirklich zeitgemäß ist, erkannte man bereits vor vielen Jahren, aber mangels Alternativen lebt(e) man damit. Eine gute Steuerung sollte eigentlich das machen, was ein kompetenter, hochmotivierter und umfangreich informierter Mitarbeiter tun würde, nur schneller und ermüdungsfrei. Der Mustermitarbeiter, der den Flaschenfüller bedient, weiß z. B., dass beim Anfahren oder nach längeren Produktionsunterbrechungen der Vorspanndruck des Füllers höher sein muss als beim kontinuierlichen Betrieb mit geringerer Temperatur. Wenn er größere Stellwertänderungen an einem Ventil beobachtet, weiß er, welche Einflüsse der PI-Regler jetzt auszugleichen versucht. Je nach Intensität der Stellwertänderungen weiß er, wie er durch manuelle Eingriffe schnell wieder in eine konstante Phase kommt und welche Qualitätsparameter möglicherweise gerade jetzt überprüft werden sollten. Wenn er nun Qualitätsprüfungen durchführt, protokolliert er die Ergebnisse nicht nur, sondern weiß, welche Parameter er anpassen muss, um sicherzustellen, dass ausschließlich innerhalb der festgelegten Toleranzen produziert wird. Wenn das Produkt stärker überschäumt, wartet er nicht, bis die Füllhöhenkontrolle verstärkt Flaschen ausschleust, sondern reagiert sofort. Abfüllanlagen sind kein Massenprodukt wie z. B. „Smartphones“. Einer Steuerung die Sachkompetenz des Mustermitarbeiters beizubringen, wird vermutlich noch Jahrzehnte dauern. Aber das hindert ja niemanden daran, die ersten Schritte zu gehen und den Mustermitarbeiter zu entlasten und dem realen Mitarbeiter konkrete Hilfestellungen zu geben. Auch die Hersteller von z. B. Füllern werden ihren Maschinen erst ein „Ohr“ geben, wenn andere Maschinen vorhanden sind, die zu ihnen „sprechen“.
Einfache Lösung
Bereits vor einigen Jahren hat die Steinfurth Mess-Systeme GmbH, Essen, das sogenannte CPA-System (Compact Package Analyzer) vorgestellt. Statt einer Vielzahl von Geräten allgemeingültige Sprachen beizubringen, wird nur ein einziges Gerät „schlau“ gemacht. Hier bietet sich z. B. das Steinfurth Drehmomentmessgerät an, das neben der Messung der Kraft, die zum Öffnen eines Schraubverschlusses benötigt wird, die Aufgabe des Masters oder des „Sprechers“ für alle angeschlossenen Messeinrichtungen übernimmt, die z. B. direkt an der Abfülllinie die Qualitätsfaktoren messen, die in direktem Zusammenhang mit der vom Kunden wahrgenommenen Produktqualität stehen. D. h. Geräte, die den CO2-Gehalt, die Füllmenge oder die Konzentration eines Getränkes messen, übermitteln als sogenannte „Slaves“ ihre Daten an den „Master“, in diesem Beispiel an das Drehmomentmessgerät. Der Master übernimmt die eindeutige Zuordnung der Messung zur Probe in der Regel mit Hilfe eines integrierten Barcode-Scanners und die Weiterleitung der Daten auch an andere Maschinen mit einer normalen Ethernet-Schnittstelle über ein PCNetzwerk (vgl. Abb. 1). Jedes Messgerät, das eine Datenschnittstelle aufweist, kann grundsätzlich als Slave in dieses System eingebunden werden. So werden z. B. Refraktometer von Maselli Misure S.p.A., Mailand/Italien oder pH-Meter und Leitfähigkeitsmessgeräte von der Bellingham + Stanley Ltd., Kent/UK, als Slaves verwendet. Der Master ist aber nicht nur ein „Sprecher“, sondern auch ein „Zuhörer“. Bereits heute bekommt er vom ERP-System z. B. Änderungen der Proben- und Prozedureinstellungen oder Regeln zu Toleranzen mitgeteilt. Falls die Datenverbindung unterbrochen oder noch gar nicht installiert ist, arbeitet das System autark und speichert Daten intern ab, wobei eine Kommunikation mit dem System über den integrierten Touchscreen oder aber auch über z. B. USB-Speichersticks jederzeit möglich ist. Messprozeduren und Toleranzen können von anderen Parametern beeinflusst werden, so ist z. B. eine andere Toleranz beim Anfahren oder bei bestimmten Tanks oder Tankinhalten ebenso darstellbar, wie eine geänderte Messprozedur z. B. in Abhängigkeit der Produkttemperatur. Falls größere Regelvorgänge im Bereich der Getränkeversorgung oder beim Füller erfolgen oder Inline-Messgeräte Warnmeldungen geben, könnten diese Maschinen bestimmte Prüfungen empfehlen und die Messwerte würden danach direkt von den Maschinen verarbeitet werden, die die Werte angefordert haben. Hierdurch wird die Gefahr reduziert, dass Produkte außerhalb der Toleranz oder unter ungünstigen, weil weniger wirtschaftlichen Betriebsbedingungen produziert werden. Die Getränkehersteller, die das System teilweise seit mehreren Jahren nutzen, schätzen insbesondere auch die Zukunftsfähigkeitdes Konzepts.
Fazit
Der Begriff Industrie 4.0 sollte nicht zu inflationär benutzt werden, nicht jeder Datenaustausch ist der Beginn einer(industriellen) Revolution. Wobei Industrie 4.0 vermutlich weder eine Revolution noch ein Putsch, sondern eher eine Evolution ist. Die Datensicherheit ist nur ein (zu lösendes) Detailproblem, im Fokus sollte der Kosten-Nutzen-Faktor stehen. Nur wenn system- und herstellerübergreifend ein Datenaustausch einfach gewährleistet werden kann, sind die versprochenen Vorteile auch erreichbar. Wenn einzelne Maschinen schneller und autonom reagieren, wird die Fertigungsgüte erhöht; das bedeutet, dass engere Toleranzen eingehalten werden können und dadurch Produktverluste und Umstellzeiten reduziert werden. Die Einhaltung engerer Toleranzen bedeutet auch, dass Sollwerte neu definiert und dadurch Kosten reduziert werden können. Wenn man morgen nicht Technik von gestern haben will, muss man heute die richtigen Entscheidungen fällen. Das hier beispielhaft vorgestellte System eröffnet zahlreiche Wege für die Zukunft, ohne die heute nutzbaren und sinnvollen Möglichkeiten einzuschränken. Den wahren Nutzen wird man jedoch vermutlich erst erkennen, wenn man bereits ein Stück des Weges gegangen ist.